Privaten Renten- oder Altersversorgungssysteme in Großbritannien

Roderick Ramage, B.Sc.(Econ.), Solicitor (englischer Anwalt)

 

 

Haftungsausschluss

Dieser Artikel ist weder Beratung noch eine definitive Aussage des Rechts im Allgemeinen oder in einem bestimmten Fall.  Der Autor übernimmt keine Verantwortung für alles, was jemand tut oder nicht tut als Ergebnis des Lesens.

 

 

In diesem Artikel möchte ich die Rechtsrahmen der gängigsten Rentenversorgungsarten im privaten Sektor beschreiben.

Ein Unternehmen kann Rentenzahlungen entweder aus akkumulierten Fonds oder aus seinen gegenwärtigen Einkünften begleichen. In Großbritannien ist Letzteres kaum bekannt und kommerziell fast unbedeutend: Es gibt keine Entsprechung der deutschen Buchaltungreserve. Ebenfalls kaum bedeutend sind Rentensysteme, die nicht bei der Steuerbehörde als (fast) steuerfrei registriert sind.  Eine Ausnahme besteht hierbei für Hochbezahlte, für die die Steuergrenzen zu niedrig sind. Deshalb konzentriere ich mich auf fundierte Rentensysteme mit Steuerentlastung.

 

Betriebs-  und persönliche Rentensysteme

a)  Betriebsrentensysteme

Dies sind Rentensysteme, die von einem Arbeitgeber gebildet wurden, um zugunsten aller oder einiger Arbeitnehmer nach der Pensionierung oder im Todesfall während der Arbeitszeit von ihnen abhängige Personen zu versorgen.  

Ein Arbeitgeber kann mehrere Rentensysteme gründen, z. B. eines für Arbeiter und eines für Angestellte, und zwei oder mehr Arbeitgeber können an einem Betriebsrentensystem teilnehmen. Eine weitverbreitete Form ist, daß die Mutterfirma einer Gruppe den Hauptarbeitgeber im Rentensystem darstellt, und die Tochterfirmen teilnehmende Arbeitgeber sind. Zentralisierte Rentensysteme können auch für eine Branche gegründet werden, sodaß die Teilnahme für jeden Arbeitgeber möglich ist.

Der Arbeitgeber (oder Hauptarbeitgeber oder Gründer) bestellt Treuhänder, von denen die Rentensystemmitglieder ein Drittel nominieren können. Die Treuhänder erhalten die Beiträge, investieren sie, verwalten das Rentensystem und bezahlen die Pension und andere Leistungen. Die Treuhandschaft schützt den Rentenfonds vor dem Arbeitgeber und seinen Gläubigern. Die juristische Verhältnisse sind dreiseitig: Arbeitgeber, Treuhänder und Mitglieder.

b) Persönliche Rentensysteme

Jedes Rentensystem, das nicht betrieblich ist, ist persönlich. Die juristischen Verhältnisse sind vertraglich und zweiseitig - zwischen dem Arbeitnehmer und dem Versicherungsbüro oder einem anderem Rentenanbieter. Wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer Beiträge an das Versicherungsbüro bezahlt, gibt es einen Nebenvertrag, etwa in Form eines Absatzes im Arbeitvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Selbst wenn der Arbeitgeber persönliche Rentensysteme für seine Angestellten mit einem Versicherungsbüro als ein gruppiertes persönliches Rentensystem organisiert, ist jedes Rentensystem persönlich und stellt einen Vertrag zwischen dem Arbeitnehmer und dem Versicherungbüro dar.

c) Bedeutung der Unterschiede

Heutzutage sind, seit der Einführung eines allgemeinen Steuersystems für beide Arten von Rentensystemen im Jahr 2006, die Unterscheide zwischen  Betriebs-  persönlichem Rentensystem nicht mehr so sehr von Bedeutung.

Betriebsrentensysteme bestehen für nur Arbeitnehmer. Persönliche Rentensysteme sind für Arbeitnehmer, selbstständig Tätige und unabhängige Unternehmer verfügbar.

Bei einer Betriebsübergabe gehen die Pflichten des Veräußerers im Zusammenhang mit den Rechten der Arbeitnehmer auf Leistungen im Alter, bei Invalidität oder für Hinterbliebene, die in einem betrieblichen Rentensystem versichert sind, auf nicht auf den Empfänger über. Im Gegensatz dazu gehen alle Verpflichten in einem persönlichen Rentensystem auf den Empfänger über.

Wenn aber der Inhaber des Betriebs eine juristische Person ist, z. B. eine Gesellschaft, und nicht der Betrieb, sondern die Aktien der Gesellschaft veräußert werden, bleiben die Rechte und Pflichten, das Vermögen und die Verbindlichkeiten, etwa in Bezug auf jedes Pensionssystem der Gesellschaft,  im Prinzip unverändert. Eine Ausnahme ist, daß, wenn es sich bei der Gesellschaft um eine Tochtergesellschaft handelt, der Verkaufsvertrag normalerweise verlangt, daß sie als teilnehmender Arbeitgeber aus dem Betriebsrentensystem der Muttergesellschaft austritt.

 


 

Kalkulationsmethoden für Renten

Im Englischen spricht man allgemein von „DB“ und „DC“. DB ist nicht die Eisenbahn, sondern die englische Abkürtzung für „defined benefits“ (ein alternativer Ausdruck für „final salary“ oder „salary related“ oder Ähnliches), d. h. endgehaltbezogene Rente, und DC steht für „defined contributions“ (oder „money purchase“), d. h. definierte Beiträge oder beitragsorientierte Rente.

(a) Endgehaltsbezogene Rente

Die klassische Rente betrug bis vor Kurzem 1/60 oder 1/80 des rentensfähigen Endgehalts des Arbeitnehmers für jedes Jahr der rentensfähigen Arbeitszeit bis zu einem Maximum von 40 Jahren, d. h. die höchste zulässige Rente beläuft sich auf zwei Drittel (oder die Hälfte) des rentenfähigen Endgehalts.

Die Kosten der Endgehaltsrente können nicht im Voraus bestimmt werden, weil es unmöglich ist, das zukünftige Gehalt eines Arbeitnehmers oder die zukünftigen Zins- oder Inflationsraten oder die Investitionspolitik vorauszusagen. Deshalb sind die zukünftigen Aufwendungen, die diese Rentenzahlungen finanzieren, der veränderliche Faktor.

Alle drei Jahre muß ein Aktuar dem Treuhänder einen versicherungsstatistischen Bericht über das Rentensystem vorlegen und die Beiträge des Arbeitgebers für die nächsten drei Jahre empfehlen. Während der vergangenen Jahre wiesen viele Rentensysteme ein Defizit des angesammelten Kapitals gegenüber ihren versicherungsstatistischen Rentenbelastungen aus.

Zurzeit sind sehr wenige solche Rentensysteme im privaten Sektor aktiv, aber viele Arbeitgeber haben Rentendefizite, die sie finanzieren müßen.

Man könnte sagen, daß solche Renten arbeitnehmerfreundlich und finanzleiterunfreundlich sind.

(b) Beitragsorientierte Rente

Bei einem beitragsorientierten Rentensystem werden die Beiträge des Arbeitgebers und Arbeitnehmers (selten) als ein fixer jährlicher Beitrag und (normalerweise) ein fixer Prozentsatz des gegenwärtigen Gehalts definiert. Der Höhe der Rente kann im Voraus nicht bestimmt werden, weil es unmöglich ist, das zukünftige Gehalt eines Arbeitnehmers oder die zukünftigen Zins- oder Inflationsraten oder die Investitionspolitik vorauszusagen. Deshalb ist der veränderliche Faktor die Höhe der Rente, die sich nach (a) dem Kapital, das durch die Beiträge bis zum Tag der Pensionierung akkumuliert worden ist und (b) nach dem zu diesem Zeitpunkt gültigen Rententarif richtet.

Man könnte sagen, daß solche Renten finanzleiterfreundlich und arbeitnehmerunfreundlich sind, d. h. die gesamte Investitions- und Langlebigkeitsgefahr lastet auf dem Arbeitnehmer.

(c) Neue Vorschläge

Ein neues Gesetz (2015), daß neue Rentenformen vorsieht, in denen die Finanzgefahren in Zukunft gerechter aufgeteilt werden sollen, ist noch nicht in Kraft.

 

Leistungen

(a) Im Todesfall während Arbeitszeit

Möglich sind eine Pension oder ein Pauschalbetrag oder beides für eine dem Mitglied abhängige Person. Es is nicht obligatorisch, im Todesfall Leistungen zu erbringen.

(b) Im Rentenalter (d. h. 55 Jahre oder älter)

Bis zum 5. April 2015 (Ende des Steuerjahrs) gibt es nur eine Rente für das Leben mit oder ohne Pauschalbetrag. Das Mitglied kann bis zu 25 % seines Rentenfonds als steuerfreien Pauschalbetrag nutzen, und in diesem Fall wird die Rente reduziert. Als Alternative zur Rente kann das Mitglied variable Beträge, die als normales Einkommen besteuert sind, bis zu angegebenen Grenzen abheben.

Ab dem 6. April 2015 wird jedes Mitglied eines beitragsorientierten Rentensystems seinen ganzen Rentenfonds oder ein oder mehrere Teile davon steuerpflichtig abheben können. Die erste Abhebung jedes Teils des Fonds wird bis 25 % steuerfrei sein.

(c) Im Todesfall während der Pensionierung

In älteren endgehaltsbezogenen Rentensystemen ist eine Rente für einen überlebenden Gatten oder abhängige Personen normal. In anderen Rentensystemen kann das Mitglied zwischen einer Rente nur für sein oder ihr Leben oder einer reduzierten Pension und einer Rente für einen überlebenden Gatten oder eine abhängige Person wählen. In einem beitragsorientierten Rentensystem besteht der restliche Fonds als steuerfreier Pauschalbetrag.

(d) Permanente Unfähigkeit während der Arbeitszeit

Das Mitglied hat dieselben Rechte wie im normalem Ruhestand, aber ohne Mindestalter.

 


 

Besteuerung

(a)     Einführung

Das grundlegende Prinzip ist, daß Geld, das in ein Altersversorgungssystem einbezahlt wird, steuerfrei ist, und ausbezahltes Geld besteuert wird, allerdings abhängig von Steuergrenzen.

(b)     Jährlicher Steuerfreibetrag

Die jährlichen Gesamtbeiträge von oder für jede Person können das jährliche steuerpflichtige Einkommen und 40.000 £ nicht übersteigen. Dieses Maximum gilt nicht für jedes Rentensystem einzeln, sondern für alle Rentensysteme.

(e) Lebenzeitlicher Steuerfreibetrag

Der Gesamtwert aller Rentenfonds kann für jede Person 1.000.000 £ nicht übersteigen.

(c) Leistungen bei Tod während der Arbeitszeit

Leistungen, die bis maximal zwei Jahre nach dem Tod des Arbeitnehmers an den Abhängigen getätigt werden, sind bis zum lebenszeitlichen Steuerfreibetrag des Arbeitnehmers steuerfrei.

(d) Weitere Merkmale

Der Arbeitgeber und die Arbeitnehmer genießen Steuerentlastungen auf ihre Beiträge, aber Beiträge über den jährlichen Steuerfreibetrag und einen Gesamtwert über den lebenszeitlichen Steuerfreibetrag hinaus sind steuerpflichtig.

Nach dem Alter von 75 Jahren sind keine Beiträge steuerfrei.

Das Einkommen durch den Rentenfonds, Zinsen, Dividenden usw. sind steuerfrei.

Renten sind wie normales Einkommen steuerpflichtig.

Bestimmte Pauschalsummen (sehen oben unter „Leistungen“) sind bis zum ungenutzten restlichen lebenzeitlichen Steuerfreibetrag steuerfrei.

 

Automatische Einschreibung

Jede Bedingung in einem Arbeitsvertrag, der verlangt, daß ein Arbeitnehmer Mitglied eines oder eines bestimmten Rentensystems ist, ist nichtig. Jedoch ist es verpflichtend, daß alle Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer und andere Arbeiter automatisch in ein Rentensystem einschreiben. Die Mitglieder können das Rentensystem verlassen, aber es wird erwartet, daß die meisten dies nicht tun werden.

Diese Verpflichtung ist für alle großen und mittelständischen Arbeitgeber bereits in Kraft und wird für kleine und neue Arbeitgeber stufenweise bis 2018 in Kraft treten. Die Arbeitnehmer und andere Arbeiter, die automatisch eingeschrieben werden müssen, sind alle Personen im Alter von 22 Jahren bis zum staatlichen Pensionsalter und mit einem Jahresgehalt von mindestens 10.000 £.

Das Rentensystem kann endgehaltsbezogen sein, aber meistens wird die beitragsorientierte Form genutzt. Für ein beitragsorientiertes Rentensystem liegt die gegenwärtige Beitrag bei 2 % für ein Jahreseinkommen von 5.824 £ bis 42.385 £ (2015/16) und von £5.824 £ bis 43.000 £ (2016/17). Ab dem 1. Oktober 2017 bei 5 % und ab 1. Oktober 2018 bei 8 %. Der Arbeitgeber muß davon mindestens 1 %, 2 %, bzw. 3 % tragen, und das Mitglied trägt den Rest.

 

Schluß

Der obige Text ist nur ein kurzer und sehr vereinfachter Überblick über das britische Rentensystem, das eine komplizierte Vereinigung von juristischen, rentenversicherungsstatistischen und investitiontechnischen Prinzipien darstellt. Jedoch hoffe ich, daß er ausreicht, um deutschen Rechtsanwälten und Kaufleuten einige Kenntnisse über die Grundprinzipien zu vermitteln.

 

Wortliste

Auch in der eigenen Sprache wird es nie einfach sein, Fachwörten deutlich zu erklären und es kann sogar gefährlich sein, sie in eine fremde Sprache zu übersetzen. Jedoch könnte es nützlich sein, deutsche Äquivalente für einige englische Stichwörter, von denen ich manche in diesem Artikel nicht gebraucht habe, anzugeben.

 

automatische Einschreibung

automatic enrolment

Beiträge

(pension) contributions

beitragsorientiert

money purchase or DC

beitragspflichtig oder nicht beitragspflichtig

contributory or non-contributory

Beitragsurlaub

contributions holiday

beitragsorienierte Rente

money purchase pension

Betriebsrentensystem

occupational pension scheme

definierte Beiträge

defined contributions

definierte Leistungen

defined benefits

endgehaltsbezogene Rente

final salary pension

gedeckt

funded

Hauptarbeitgeber

principal employer

jährlicher Steuerfreibetrag

annual allowance

Langlebigkeitsgefahr

longevity risk

lebenszeitlicher Steuerfreibetrag

lifetime allowance

(Renten-) Leistungen

(pension) benefits

Leistungen im Todfall während der Arbeitszeit

death in service (DIS) benefits

Mitglieder (des Rentensystems)

(pension scheme) members

nicht gedeckt

unfunded

Pensionierung

retirement

rentenfähige Arbeitszeit

pensionable service

rentenfähiges Endgehalt

final pensionable salary

persönliches Rentensystem

personal pension plans (or schemes)

Rentensystem

pension scheme

Rententarif

annuity rates

teilnehmende Arbeitgeber

associated or participating employers

staatliches Rentenalter

state pensionable age

versicherungsstatistische Rentenbelasterungen

actuarial liabilities

versicherungsstatistischer Bericht

actuarial report

zusätzliche freiwillige Beiträge

additional voluntary contributions (AVCs)

zu Steuervergünstigungen berechtigt

entitled to tax relief

Zuwachsrate (z. B. 1/60  oder 1/80)

rate of accrual

 

01.08.2015, aktualisiert 03.06.2016

 

© Roderick Ramage

 

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